Am 9. Juni hat die Schweizer Stimmbevölkerung, nach einem hauchdünnen Vorsprung in den Umfragen, die Prämien-Entlastungs-Initiative an der Urne versenkt. Dies obwohl die steigenden Kosten der Krankenkassenprämien eines der grössten Sorgen der Schweizer*innen bleiben. Lukas Golder von der GFS Bern erklärte das Resultat dem SRF damit, dass die finanzpolitischen Fragen ins Zentrum der Debatte gerückt sind. Doch sind diese Fragen berechtigt? Oder dienen sie nur dazu, Unsicherheit zu verbreiten, damit die Wenigen profitieren können?
Von der bürgerlichen Seite des politischen Spektrums wird gerne behauptet, sie seien diejenigen, die sich um den wirtschaftlichen Wohlstand kümmern. Und dass die Linke, mit ihren realitätsfremden Ideologien, schlichtweg der Wirtschaft schadet. Dass es nur rechte Politik ist, die für das Gewerbe und KMUs sorgt, und das «Erfolgsmodell Schweiz» aufrechterhaltet.
Am Kanton Zug, Herzstück dieses «Erfolgsmodells», zeigen sich die Auswirkungen rechter Politik besonders stark. Denn die Kosten von teuren Neubauten und stets sinkenden Steuern müssen von der Bevölkerung getragen werden. Für Geringverdienende kommt Zug als Wohnort schon lange nicht mehr in Frage. Auch Mittelverdienende haben es immer schwerer, eine Wohnung zu finden. Die Folge: 36'000 Personen, die an Grenzgebieten des Kantons leben müssen, obwohl sie gerne in Zug zuhause wären. Viele davon sind selbst im Kanton Zug aufgewachsen. Kann man eine solche Wirtschaft wirklich als «Erfolg» bezeichnen? Oder anders gefragt: Wem dient eigentlich diesen Erfolg? Und wem nicht?
Bürgerliche Politik schadet jedoch auch auf nationaler Ebene der Wirtschaft. Beispielsweise das SVP-Kernthema «Migration». Ihre Initiative, «Keine 10-Millionen-Schweiz!», wurde anfangs April bei der Bundeskanzlei eingereicht. Folglich wären die Einstellung von Niederlassungsbewilligungen und Ausschaffungen nötig, um diese Grenze nicht zu überschreiten. Dabei sind wir gerade wegen dem Fachkräftemangel auf eine grössere arbeitende Bevölkerung angewiesen.
Auch die Anti-EU-Haltung der SVP ist ein Schuss ins Knie für die Schweiz. Wir sind umgeben von EU-Nachbarsländern, eines davon, Deutschland, ist unsere grösste Handelspartnerin. Es gibt legitime Kritik an der EU, aber dabei zu behaupten, man würde in volkswirtschaftlichem Interesse handeln, ist falsch.
Um dem «Gewerbe» zu schonen, haben sich Bürgerliche schon immer gegen Arbeitszeitverkürzungen eingesetzt. Neulich wurde auch das Rentenalter für Frauen erhöht. Auf den ersten Blick scheinen solche Haltungen tatsächlich der Wirtschaft gut zu tun. Doch es zeigen immer mehr Studien, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit und einen Ausbau des Sozialstaates zu höherer Produktivität und zu höherer Lebenszufriedenheit führen. Auch das Modell der Vier-Tage-Woche, welches aktuell getestet wird, zeigt sich bis jetzt als vielversprechend. Doch politisch scheint noch alles beim Alten zu sein, und Anzeichen auf Änderung gibt es kaum.
Letztendlich stellt sich die Frage, was unter einer starken Wirtschaft zu verstehen ist, und wozu eine starke Wirtschaft dienen sollte. Ob wir mit einer Politik leben wollen, die die Wünsche von Oligarch*innen über die Bedürfnisse der Bevölkerung stellt. Denn so mag das BIP zwar steigen, die Lebensqualität jedoch nicht. Es ist Zeit, dass das «Volk» in «Volkswirtschaft» die Priorisierung erhält, die sie sich verdient hat.