Am Sonntag richtete sich unser Blick nach Norden – auf unseren grössten Handlungspartner, die Bundesrepublik Deutschland. Am 23. Februar haben sie ihr nationales Parlament – den Bundestag – neu gewählt. Als grosse Wahlsiegerin ging die Union hervor, obwohl sie eines der schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte erzielten. Und die älteste Partei Deutschlands, die SPD, tatsächlich das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Wie konnte es dazu kommen? Und was können wir, in der Schweiz, davon mitnehmen?
Die Wahlen letzter Woche standen ursprünglich erst für den September an. Doch als die Koalitionsregierung von SPD, Grüne, und FDP (die sog. Ampel-Regierung) zerbrach, wurde der Termin bereits im Februar angesetzt. Daraus ergab sich nebst Rekordtief der SPD auch ein Scheitern der FDP, überhaupt im Parlament zu bleiben. Daran wird sichtbar, was die deutsche Bevölkerung selbst schon lange weiss: Die Ampel-Regierung ist sehr, sehr unbeliebt.
Angesichts der aktuellen Weltlage sollte diese Aussage nicht überraschen. Im Jahr 2024 ist es keiner westlichen Regierung gelungen, in den Wahlen an Stimmen zuzulegen. Weder in Frankreich noch den USA oder Grossbritannien konnten die damaligen Regierungen ihre Mehrheiten im Parlament behalten. Steigende Inflation, sinkende Löhne und Kaufkraft, sowie laufende Kriege und Kriegsverbrechen sind dafür die Hauptgründe. Diese Probleme sind zwar nicht der Ampel-Regierung zu verschulden, wurden aber kaum von ihr beseitigt. Es wäre ihre Aufgabe gewesen, die Situation der Menschen in Deutschland zu verbessern, und das hat sie nicht ausreichend geschafft.
Dieses Versagen bietet für die politische Opposition jedoch neue Möglichkeiten. Rechtsextreme Parteien wie die AfD instrumentalisieren (unter anderem) die Asylpolitik, um Sündenböcke für die gespürten Probleme der Menschen zu schaffen. Sie hetzen gegen jene, die sich nicht wehren können, und schüren Gewalt gegen sie.
Doch während Proteste gegen Rechtsextremismus und die AfD in Deutschland hunderttausende Menschen aus dem ganzen Land anziehen, sind ihre Positionen in der Schweiz schon längst normalisiert. Die AfD knackte am Sonntag erstmals die 20%-Hürde, die SVP sitzt seit fast 30 Jahren über diesem Ergebnis. Eine Partei, die mit rechtsextremistischen Gruppen (z.B. mit der AfD selbst) kuschelt, ist in der Schweiz die stärkste Partei und seit Jahren Teil der Bundesregierung. In Deutschland hingegen arbeiten links bis rechts zusammen, um dieses Szenario zu verhindern. Es ist ein Armutszeugnis für die Schweiz, dass menschenfeindliche Positionen, wie sie die SVP vertritt, als normal gelten.
Genau deswegen braucht es tatkräftigen Antifaschismus – eine Alternative zur Alternative für Deutschland. Eine mögliche solche Partei hat sich am vergangenen Wahlsonntag ein überraschend starkes Ergebnis geholt: Die Linke. Mit einer sozialistischen Kampagne, die auf die tatsächlichen der Bedürfnisse eingegangen ist – Einen Mietendeckel, Mindestlohn, und einer gerechteren Steuerverteilung – hat sie fast 9% der Stimmen geholt und war unter Neuwähler*innen und Wähler*innen unter 25 erstplatziert. Dadurch beweist sie einmal mehr, dass die Jugend nicht nach rechts ruckt, im Gegenteil: Mit glaubwürdigen, tatkräftigen Alternativen zum bürgerlichen Status Quo sind Stimmen zu holen und Welten zu verbessern.
Was kann also die Schweiz aus diesen Wahlen lernen? Einerseits brauchen wir wie in Deutschland eine Brandmauer gegen rechts, und zwar sofort. Was Union und FDP in Deutschland hinbekamen, muss auch von unserer Mitte und FDP eingehalten werden. Doch das ist nur eine mittelfristige Lösung, um gegen das Problem des Rechtsextremismus vorzugehen. Wir brauchen eine Politik, die vom Sozialismus nicht wegscheut und echte Verbesserungen unserer Lebenslage liefert. Denn faschistische Parteien beruhen sich auf Unsicherheiten und Ängste in der Bevölkerung, um an Stimmen zu kommen. Besser geben wir ihnen diese Möglichkeiten erst nicht, dabei werden unsere Leben auch schöner!