Angesichts der kühlen Temperaturen draussen kommt es dieses Jahr vermutlich eher zu einem mit-Schlottern statt einem mit-Fiebern. Doch mich persönlich lässt die Fussball Weltmeisterschaft in Katar ganz und gar nicht kalt. Über 15'000 Menschen sind beim Bau der Stadien in der Wüste ums Leben gekommen. Zur Veranschaulichung: Das entspricht der Kapazität der Bossard Arena um ein zweifaches. Doch es bleibt nicht bei dieser Tragödie. So werden Arbeitsmigrant*innen bis heute die Pässe entzogen, um ihnen eine Ausreise unmöglich zu machen, Frauen dürfen nur mit männlicher Vormundschaft das Land verlassen, die Medienfreiheit sowie die Grundrechte sind quasi inexistent.
Doch das wissen wir.
Und doch kribbelt das Fussballfieber ungeduldig und lässt diese Zustände wie einen weit entfernten Fiebertraum wirken.
Letztes Jahr hat die JUSO Schweiz zum Boykott der WM aufgefordert. Eine Forderung, die damals auf wenig Verständnis gestossen ist, sogar belächelt wurde. Ich empfinde es als eine spannende, teilweise beunruhigende Beobachtung, wieviel vergossenes Blut wir als Gesellschaft bereit sind in Kauf zu nehmen, für Minuten von Unterhaltung. Denn was sagt dies über unsere Werte aus, und wieviel halten wir eigentlich von unseren eigenen Werten?
Ich verbinde Fussball mit Teamgeist, Fairness, Respekt und vor allem Zusammenhalt. Diese Werte sind mit der Situation in Katar nicht vereinbar, für die FIFA ist nur die Würde des Fussballs unantastbar. Deswegen gilt ein Boykott sehr viel mehr der FIFA, als dem Land Katar.
Ob man sich die WM ansieht, ist schlussendlich jedem selbst überlassen.
Anders als nur ein Spiel mit dem Ball, ist diese WM in Katar ein Spiel zwischen Glaubwürdigkeit, Moral und schlussendlich auch Geld. Eine Weltmeisterschaft zu veranstalten kostet viel Geld, doch bringt auch viel Geld ein. Und jeder Rappen, der rund um die Vermarktung der WM verdient wird, kann bei der Regierung in Katar landen. Reminder: Katar wird autoritär als absolute Monarchie regiert, und ist aktuell das achtreichste Land der Welt. Die schlimmen Arbeitsbedingungen und Tode hätten verhindert werden können. Sport und Politik soll und kann man meiner Meinung nach nicht trennen.
Als Fussball interessierter Mensch schmerzt es mich sehr, doch ich werde mir bei dieser WM keinen Match anschauen, und meinen Teil zum WM-Boykott beitragen. Es bringt die Toten nicht zurück, macht keinen Schaden rückgängig, doch war und ist es mein Versprechen, meine Augen bei Ungerechtigkeiten nicht zu verschliessen. Und ich fordere auch Sie auf, liebe Leser*innen, sich zu fragen, wofür sie stehen und was ihre Werte sind.
Doch was macht Mensch diesen Winter, wenn nicht die Fussball Matches schauen? Stattdessen werde ich mir das Spiel der EM 2020 zwischen Frankreich und der Schweiz in Dauerschleife anschauen- mit Vergnügen (und Glühwein statt eines kalten Biers).