Die Illusion der individuellen Verantwortung

Die Klimakrise ist zweifellos eine der grössten Krisen unserer Zeit und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass der Mensch die Ursache dafür ist. Doch angeblich gibt es eine Lösung: Alle müssen lediglich ihren persönlichen CO2 Ausstoss senken, und schon ist das Klima gerettet. Nicht wenige denken, dass genau das die Wahrheit ist, aber so einfach ist das Ganze nicht. Dieser Mythos der individuellen Verantwortung funktioniert nicht und bringt eine grosse soziale Ungerechtigkeit mit sich. Und dennoch verbreiten Grosskonzerne in ihrem Profitinteresse genau diese Idee.

Im Jahr 2004 veröffentlichte der Öl-Grosskonzern BP im Rahmen einer Werbekampagne einen CO2-Rechner, mit dem Menschen ihren persönlichen CO2-Fussabdruck berechnen können. Damit sollten sie herausfinden können, für wie viel klimaschädliches CO2 sie persönlich verantwortlich seien. Dies war gewissermassen die Geburtsstunde des CO2-Fussabdrucks, denn zuvor war dieser der Öffentlichkeit nicht bekannt. Doch warum ist das Konzept «individueller Fussabdruck» ein Problem? Auch wenn persönliche Verhaltensanpassungen ökologischer Art wie zum Beispiel der Verzicht auf Fleisch wichtig sind, werden sie allein den Klimawandel nicht stoppen. Mit dieser gerissenen Aktion schaffte es der Grosskonzern, sich umweltbewusst darzustellen, von dem eigenen gigantischen Einfluss auf den Klimawandel abzulenken und gleichzeitig die Schuld auf das Individuum zu schieben. Doch das ist nicht alles. Allein in den drei Jahren nach dem Pariser Klimaabkommen investierten die fünf grössten börsennotierten Öl- und Gaskonzerne über eine Milliarde US-Dollar in Lobbyarbeit gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung und das Pariser Klimaabkommen.

Dazu kommt noch, dass die Vorstellung der individuellen Verantwortung eine sozial ungerechte ist. Während die Reichen sich Photovoltaikanlagen für ihr Dach leisten könnten und die Möglichkeit hätten, einen schicken Tesla zu fahren, müssen sich andere darum sorgen, wie sie überhaupt ihre Miete bezahlen können. Vielen Menschen fehlen sowohl die finanziellen Mittel als auch die Zeit, um sich um Nachhaltigkeit zu kümmern. Und dann genau diesen Menschen zu sagen, sie seien für die Klimakrise verantwortlich, ist einfach nur verwerflich.

Es braucht also einen anderen Weg. Bei einer globalen Krise, hinter welcher ein destruktives System steht, braucht es als Antwort systematische Änderungen. Durch einzelne Verhaltensanpassungen, die sich auch nicht alle leisten können, werden wir die Klimakrise nicht stoppen. Die Grosskonzerne haben in der Vergangenheit wieder und wieder gezeigt, dass sie durch Schuldverschiebung und Lobbyismus ihren Profit über die Umwelt und somit über das Wohl der Menschen stellen. Sie müssen darum in Verantwortung gezogen werden. Der bisherige Umgang mit unserer Zukunft, bei der sie kurzfristiger Gewinnmaximierung untergestellt wird, muss enden.