SYSTEM CHANGE NOT CLIMATE CHANGE

20.10.2019 - Leah Heuri (sie)

Wir fordern einen Systemwandel, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise noch abwenden zu können. Doch was bedeutet das konkret? Bedeutet ein Systemwandel eine völlige Neuinterpretation unsere Welt oder lediglich ein Feilen an unseren schon altbewährten Lebensformen?

Im Lied «Hier kommt Alex» singen die Toten Hosen von «einer Welt, in der man nur noch lebt, damit man täglich roboten geht». Dieser Text beschreibt, wie die Menschen tag- ein tagaus eigentlich nur existieren, um arbeiten zu gehen. Oft ist dies nicht einmal ein abwechslungsreicher und spannender Job, sondern nur der Job, der am meisten Geld bringt oder gerade zur Verfügung steht. In unserem heutigen System steckt man in einem Teufelskreis aus Essen, Schlafen, Arbeiten und – wenn es die Zeit denn hergibt – vielleicht noch ein wenig Zeit mit der Familie oder mit Freund*innen. Vielfach sind die Arbeitstage aber so lang und anstrengend, dass am Abend die Energie komplett fehlt, um noch etwas zu unternehmen.

Unsere heutige Lebensweise ist absolut nicht nachhaltig. Das zeigt sich nicht nur in der Ausbeutung der Arbeiter*innen, sondern auch in der Zerstörung der Natur. Diese beiden Ausbeutungsverhältnisse haben einen gemeinsamen Nenner: Das kapitalistische System. Unser heutiges Wirtschaftssystem ist in seiner Essenz auf Wachstum angewiesen, da das investierte Kapital sich stetig vermehren muss. Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: Die Arbeitsbedingungen für Lohnabhängige werden verschlechtert, damit mehr Kapital abgeschöpft werden kann oder die Produktion wird ausgeweitet. Anders ausgedrückt: Das Kapital kann sich ein grösseres Stück des Kuchens abschneiden

oder es kann den bestehenden Kuchen vergrössern, damit die Profite wachsen.

Die Lohnarbeit wird heute schon bis ans Maximum ausgepresst. Der einzig verbleibende Weg noch mehr Profit abzuschöpfen, ist also stetiges Wirtschaftswachstum. Doch unendliches Wachstum ist schlicht nicht möglich in einer Welt der endlichen Ressourcen. Um die Umweltkatastrophe aufzuhalten, müssen wir uns deshalb vom Wachstumszwang befreien und das kapitalistische System überwinden, das untrennbar mit ihm verknüpft ist.

Rebound-Effekte statt Klimaschutz

Wir brauchen einen Systemwechsel, wenn wir unsere Erde schützen wollen. Denn viele der Antworten des Kapitalismus auf die Klimakrise haben einen unabdingbaren Rebound-Effekt. Das heisst: Mögliches Einsparpotenzial kann im Kapitalismus nicht oder nur teilweise verwirklicht werden, weil beispielsweise eine Effizienzsteigerung zwar zu weniger Ressourcenverbrauch, im Gegenzug aber auch zu mehr Konsum führt.

Immer wieder wird technologischer Fortschritt als Lösung der Klimakrise betrachtet. Ein Trugschluss. Beispiel Elektroautos: Sofern sie mit erneuerbarer Energie betrieben werden, verringern sie zwar die Verpestung der Luft und die Erwärmung des Klimas, aber dennoch vergeudet der motorisierte

Individualverkehr unseren stark beschränkten Grossstadtraum und nimmt uns den Platz zum Leben. Ausserdem erzeugt die Produktion der Batterie eines Elektroautos enorme Mengen an Treibhausgasemmissionen. Zahlen aus Norwegen zeigen auf, dass vor dem Kauf eines E-Autos für 23% aller Wege der öffentliche Verkehr genutzt wurde. Nach dem Erwerb fällt dieser Anteil auf 4%. Faktisch geht die Elektromobilität also auf Kosten der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, obwohl es unumstritten ist, dass diese ökologisch gesehen die bessere Alternative darstellen.

Unsere Utopie

Dies alles wollen wir ändern. Wir wollen eine Welt, in der es keine Ausbeutung der Arbeiter*innen mehr gibt. Eine Welt, in der alle Menschen nur so lang arbeiten müssen, bis sie ihr Geld zum Leben verdient haben und nicht bis der Boss seine Milliarde auf dem Konto hat. Eine Welt, die nicht geprägt ist durch Überstunden, sondern eine Welt, in der jede*r Zeit für ihre*seine Familie und Freund*innen hat. Dafür braucht es ein Wirtschaftssystem, das nicht nur auf Profit und Gewinnmaximierung aus ist, sondern sich wahrhaftig um den Menschen als Individuum kümmert – keine Maschine mehr, die täglich roboten geht.

Dann hätten Menschen auch Zeit um sich um andere Menschen, Tiere und Pflanzen zu kümmern, die sie umgeben. Wir würden nicht nur emotionslos im Supermarkt die Karotten und den Sack Pommes kaufen, sondern realisieren, dass nur mit einem Samen, ein wenig Wasser und viel Liebe ein Wunder entsteht, das wir allgemein als Rohnahrung verstehen. Indem wir die Strukturen des Systems verändern, ändern wir gleichzeitig unsere Lebensweise und können uns so auch mehr auf unser ökologisches Verhalten konzentrieren. In diesem System hat jede*r Zeit, um mit dem Zug innert 24 Stunden nach Spanien zu fahren und muss nicht wegen Zeitmangels auf einen Billigflug ausweichen. Wir könnten uns einfach Zeit nehmen, uns zu bilden, uns selbst zu entdecken und uns ein stabiles, soziales Umfeld aufzubauen. Ohne Druck.

Sind all diese Ideen radikal? Möglicherweise. Aber sicherlich sind sie viel weniger naiv und unrealistisch, als der Glaube, auf dem jetzigen Weg könne es weitergehen. Unser System ist darauf ausgelegt die Klimakrise zu verstärken, da es in der Wirtschaft nicht um die Bedürfnisse der Erde und des Menschen geht, sondern lediglich um Profitmaximierung und Wachstum. Um die Ausbeutung von Erde und Mensch zu stoppen und eine lebenswerte Zukunft zu schaffen, braucht es einen Systemwandel. Gemeinsam für eine bessere Zukunft!